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Lapidary

Lapidary

Noir Est La Mer – Reminiscences of family holidays in the early 80s at the Southern French mediterranean near Perpignan. Quelle fête: by day the radio stations play only rock and pop, unlike at home in Switzerland. Under blatant loudspeakers we siblings play ping-pong for hours. Meanwhile the concrete and warmed up new town overflows with native vacationers. Every night rock gigs with French bands take place at the end of the corniche. Girls scurry by, in their eyes this incredible look: incroyable! And behind this youth paradise the black sea foams, churned by mountain winds. Only a few days later I nearly drowned out there, and was thrown back to the beach and to life by the waves in the very last moment. I had already given up, before my eyes a moss-covered gravestone. What moments in the life of a sleepy fifteen-year-old from Bern! The song »Noir Est La Mer« recalls this Southern French August and is now again part of the band repertoire.

My Street – And everything crumbles into dust. One day, just before christmas, soft ice fog hangs in the air of my street. And it feels supernatural to cross this in the sunlight glinting haze. But by noon all the spell has gone and from the sky gapes the pale and austere winter light.

Riff-raff – Always at the beginning of summer the ash trees in the alley are surged by bee swarms. This nearly thrilling sensation is of three days short length. But this swoosh echoes long afterwards, even when it is bygone and still again above the treetops.

The Duke – What a thrill it is, again and again, to hear how Ellington's musicians added their characters to the whole band sound. Radiant the bouquets serrated in the air by the clarinet. And below the band, a wuthering beehive and saturated sponge, sweating out wildest scents.

Levitation – Rolling organ sounds from the black Bernese minster, always on tuesday nights. While fog wafts around the church house, dissonances scale high up in spirals. It then feels like the building would levitate.

Slow motion – Dreamed of ink, which dripped very slowly on blotting paper, where it spread gingerly in dark circles.

Community – Music clubs must be pilgrimage sites of humanity. Crossroads and not enclosured containments of commerce only serving narcissistic pettiness and empty clownerie.

Homegrown – Osamu, the little bespectacled Japanese, always dressed with a baggy linen jacket and a seasoned hat, crossed himself when asked after the best Bernese fish dealer for his sushi. Like back home in Osaka only the best local ingredients came into question, thus in Switzerland polenta instead of rice, in place of fish cervalat and salami, everything wrapped round with lettuce leaves.

Pauses – We solists get paid to play, but also for not to play, to release ourselves from the stream. To play and not to play is a fifty-fifty-thing. To heed the silence between musical phrases, this is it.

The Last Time – On my my catwalk way home at night time alongside the Thun street. Don't wonder, how many times still I'll go this way, despite the precise number must be written down somewhere far out from here. But feel no fear before this ongoing countdown. Have to be in motion for not to perish. Like a shark, who has to keep up swimming, to avoid sinking down to the seabed and to be drowning.

Youth – Years ago I gaspingly careened up the Thun street on the bike through driving snow at midnight. Swallowed with every deep breathe icy snow flakes. Soon my airways were so deaf, that I meant to be tossed down with every draw of breathe. Finally at home in my bitter cold student digs at the Ostring I could hardly get down a slice of buttered bread. In the flat it seemed even colder than outside and the blanket was starched and didn't warm. Shivering I dropped off to a dreamless sleep of no temperature.

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Lapidarium

Lapidary

Noir Est La Mer – Erinnerung an Familienferien Anfang achziger Jahre am südfranzösischen Mittelmeer bei Perpignan. Quelle fête: tagsüber läuft auf den Radiosendern nur Rock und Pop, anders als zuhause in der Schweiz. Wir Geschwister spielen unter plärrenden Lautsprechern stundenlang Tischtennis. Derweil quillt die betonierte, von der Sonne aufgebackene Retortenstadt über vor heimischen Urlaubern. Jede Nacht finden auf einem Platz am Ende der Corniche Konzerte mit französischen Rockbands statt. An mir huschen Mädchen vorüber, in den Augen diesen unglaublichen Blick: incroyable! Und hinter diesem Jugendparadies schäumt das von Bergwinden aufgewühlte schwarze Meer. Wenige Tage später werde ich dort draussen fast ertrinken, und erst im letzten Moment von den Wellen an den Strand und zurück ins Leben geworfen werden. Ich hatte es schon aufgegeben, vor Augen einen bemoosten Grabstein. Welch Momente im Leben eines verschlafenen Fünfzehnjährigen aus Bern! Der Song »Noir Est La Mer« erinnert an diesen südfranzösischen August und ist wieder im Band-Repertoire.

Meine Strasse – Und alles wird zu Staub. Eines morgens, wenige Tage vor Weihnachten, schwebt zarter Eisnebel durch meine Strasse. Wundervoll ist es kurz darauf in der Allee diesen in der Sonne funkelnden Schleier zu durchqueren. Am Mittag dann ist aller Zauber verschwunden, klafft vom Himmel nüchtern das blasse Winterlicht.

Flirren – Immer zu Sommerbeginn werden die Eschen in der Allee von Bienenschwärmen umbrandet. Dieses fast übernatürliche Ereignis ist jeweils von nur drei Tage kurzer Dauer. Und doch klingt dieses Brausen lange noch nach, auch wenn es längst schon still ist über den Baumwipfeln.

The Duke – Ergreifend zu hören, wie Ellingtons Orchestermitglieder ihre Charaktere in den Band-Sound hineingetragen haben. Strahlend die Buketts von der Klarinette in die Luft gezackt. Und darunter die Band, ein brausender Bienenkorb und vollgesogener Schwamm, der wildeste Gerüche ausgeschwitzt.

Levitation – Bebendes Orgelbrausen aus dem schwarzen Berner Münster, immer Dienstag nachts. Während Nebel ums Kirchenhaus quillt, steigen Dissonanzen in Spiralen hoch hinauf. Es ist, als würde der Bau gleich wegschweben.

Zeitlupe – Träumte von Tinte, welche ganz langsam auf Löschpapier tropfte und sich in dunklen Kreisen sachte ausbreitete.

Community – Musikklubs sollen Wallfahrtstätten für Menschen sein. Kreuzungsorte und nicht abgeschlossene Gefässe des Kommerzes für narzisstische Belanglosigkeiten und leere Clownerie.

Homegrown – Osamu, der kleine Japaner, immer im ausgebeulten Leinensakko, mit Hut und Nickelbrille, bekreuzigte sich nach dem besten berner Fischhändler für sein Sushi befragt. Wie in Osaka kämen ihm nur das Beste aus der Umgebung ins Gericht, in der Schweiz also Polenta statt Reis, anstelle von Fisch Cervalat und Salami, alles umwickelt von Lattichblättern.

Pausen – Wir Solisten werden dafür bezahlt zu spielen, aber auch, um nicht zu spielen, uns herauszulösen aus dem Strom. Spielen und Nichtspielen »go fifty-fifty«. Auf die Stille hören zwischen musikalischen Phrasen, darauf kommt es an.

Das letzte Mal – Zu Fuss heimwärts auf meinem Catwalk, der nächtlichen Thunstrasse. Und frage mich nicht, wie oft ich noch diesen Weg gehen werde. Obwohl die genaue Zahl festgeschrieben sein muss, irgendwo weit draussen. Doch keine Angst vor dem Countdown. Muss mich bewegen, um nicht unterzugehen. Wie ein Hai, der immerzu weiterschwimmen muss, um nicht auf den Meeresgrund zu sinken und zu ertrinken.

Jugend – Schlingerte vor Jahren auf dem Fahrrad keuchend durch dichtes Schneegestöber wieder die mitternächtliche Thunstrasse hoch. Verschluckte mit jedem tiefen Atemzug eisige Schneeflocken. Meine Atemwege waren bald derart taub, dass ich meinte, mit jedem weiteren Luft holen gleich wegzukippen. Brachte endlich zuhause am Ostring in der bitterkalten Studentenbude kaum eine Scheibe Butterbrot herunter. In der Wohnung schien es kälter noch als draussen und die Bettdecke war steif und wärmte nicht. Mit Zittern fiel ich in einen traumlosen Schlaf von keiner Temperatur.

Roman »Schwarz das Band des Flusses« – Schauplätze sind die indische Hafenmegalopole Bombay und eine Kleinstadt am nördlichen Alpenrand Ende der 2000er-Jahre. Der Jazzkornettist und Mischling Ambrosius ist in Indien auf Konzertreise. Vor seiner Heimkehr nach Europa begegnet er in Bombay der undurchsichtigen Baumwollmagnatin Haifa, die ihn mit dem jovialen Chirurgen Farzad bekannt macht. Dieser weiss zu Ambrosius' Verwunderung und Unbehagen mehr über die dunkel verworrene Geschichte seiner indischen Familie. Auf seiner Odyssee durch Bombay kreuzt Ambrosius auch die Wege von Harry, einem Klubbesitzer aus dem Dunstkreis der Bollywood-Mafia, und Ayyan, einer jungen Radiomoderatorin im Dienst eines mächtigen Konzerns. Er gerät in einen Strudel verschlungener Geschichten und gewahrt mit der Zeit, dass all seine neuen Bekannten auf mysteriöse Weise miteinander verbunden sind. Ein tragisches Geschehnis stellt sein Leben jäh auf den Kopf. Zehn Jahre später kann sich Ambrosius endlich aus den Fängen eines Banns befreien. Leseprobe